Göttinger Tageblatt

24.07.2020 - Laura-Sophie tiktokt erfolgreich

1,6 Millionen Klicks pro Video: Laura Sophie Winkler ist TikTok-Heldin
Göttinger FKG-Schülerin hat auf der Online-Videoplattform bereits 155 000 Follower

Göttingen. Sie hat Steigerungsraten, um die sie jeder Dax-notierte Konzern beneiden würde: Vor gerade einmal zwei Monaten hat die Göttingerin Laura Sophie Winkler damit angefangen, auf dem Internet-Videoportal TikTok Clips hochzuladen, und mittlerweile hat sie um die 155 000 Follower. Ihr erfolgreichstes Video hatte rund 1,6 Millionen Klicks – auf TikTok ist die 16-jährige FKG-Schülerin bereits eine kleine Berühmtheit. Dabei beschäftigt sie sich keineswegs rund um die Uhr mit dem Portal.
Ältere Mitbürger sagen beim Stichwort TikTok vielleicht reflexhaft „Herein!“. Aber TikTok ist keineswegs eine lautmalerische Bitte, die Tür zu öffnen, sondern vielmehr die heiße Nummer der Jugend in den sozialen Medien. Die Idee: Jeder kann, wie er will, Videos hochladen und damit Menschen weltweit unterhalten. Das Motto des chinesischen Unternehmens: „Versüße dir den Tag – make your day: Real people. Real Videos.“
Clips bis zu einer Minute Länge können geteilt, also hochgeladen und veröffentlicht werden. Laura Sophie war schon länger auf TikTok unterwegs, bis sie sich im Mai unter dem Eindruck des coronabedingten Nichtstuns dazu entschloss, selbst Videos zu erstellen. Das Resultat: Es war fast so, als ob die TikTok-Welt nur auf Laura Sophie Winkler aus Göttingen gewartet hatte – der Erfolg war enorm. Das erste Video wurde 2000-mal geklickt.
Die 16-Jährige, die in Göttingen bei Christiane Eiben und Gregor Jess im Gesangsunterricht war, begann entsprechend mit Gesang. „Mein erstes Video ist 2000-mal geklickt worden. So viele Klicks habe ich heute manchmal nach zehn Minuten“, berichtet Laura Sophie. Das zweite Video war schon erfolgreicher: „Ich war in Bamberg und habe es nicht glauben können, dass ich 10 000 Aufrufe hatte“, sagt sie.
Mittlerweile unterhält die FKG-Schülerin mehr als 150 000 Abonnenten, die bei TikTok regelmäßig Videos von laura.sphxe, so ihr Username, verfolgen. „Das ist schon krass“, sagt sie selbst. Eine tägliche Steigerungsrate von 1000 Abonnenten sei normal, an einem Tag hatte sie aber auch schon 30 000 neue Follower. Ihr Zwei-Tages-Rekord liegt bei 50 000 neuen Abonnenten. „Das Ziel ist momentan immer, mindestens 10 000 Klicks pro Video zu haben“, sagt sie.
Ihre Klientel kann Laura Sophie mittlerweile ganz gut einschätzen, wobei ihr das entsprechende Analyse-Tool von TikTok hilft: 84 Prozent der Follower kommen aus Deutschland, zehn Prozent aus Österreich und vier Prozent aus der Schweiz. Klickmäßig der schlechteste Tag ist der Sonnabend.
Drei Viertel ihrer Abonnenten sind Mädchen, ein Viertel sind Jungs – was aber keine besondere Überraschung darstelle: TikTok werde zu 90 Prozent von Mädchen genutzt, „gutaussehende Jungs haben gleich ganz viele Abonnentinnen“, berichtet sie. Die Klientel der Göttingerin ist zwischen zwölf und 20 Jahre alt und vor allem in der Mittagszeit und am frühen Abend aktiv. „Um 3 Uhr morgens brauche ich nichts hochladen.“
Ihr Konzept hat die FKG-Schülerin mittlerweile geändert: Erfolg hat sie vor allem mit Comedy, Singvideos gehören aber auch noch zum Programm – und „Labern“, den Leuten etwas aus dem Leben erzählen. „Oft sind das sarkastische Sachen“, sagt die 16-Jährige. Voll aus dem Leben: Neulich erklärte ein Lehrer den Schülern die Funktionen eines Handys, dass es auch Taschenrechner und Kamera gebe. So etwas ist für medienaffine Jugendliche natürlich ein gefundenes Fressen für einen parodistischen Clip.
Erfolgreich war auch ein Video mit ihrer Comedy-Figur Kevin – eine Parodie, in der Laura Sophie schildert, wie sie in der Klasse auf ihre TikTok-Projekte angesprochen wird, und für die sie in verschiedene Rollen, eben auch die von Kevin, schlüpft. Hat sie gar kein Lampenfieber? „Ich war schon immer ein wenig rampensaumäßig, und in dem Moment, in dem ich das Video hochlade, sieht mich ja keiner“, sagt sie.
Hass-Kommentare, die es hin und wieder gibt, werden von ihr auch schon mal gelöscht. „Das ist meine Seite, und wenn etwas respektlos ist, muss ich das nicht dulden.“ Wenn jemand einen anderen Humor habe, könne er sich ja etwas anderes angucken. Bestimmte Bereiche, zum Beispiel politische Themen, klammert sie aber aus – einen sogenannten Shitstorm will sie nicht unbedingt erleben.
Erfolg bei TikTok ist auch immer ein wenig vom Glück abhängig. „Es kommt auf den Algorithmus an“, sagt Laura Sophie: Werde das Video zuerst von drei Omas angeguckt, werde es nicht geteilt und gehe nicht viral. „Wenn es von der Zielgruppe angeschaut wird, geht es mit den Klicks megaschnell hoch, und die Leute sehen sich das krass an.“
Mittlerweile sind auch Unternehmen auf Laura Sophie aufmerksam geworden. Hochwertige Pflegeprodukte wurden ihr geschickt, die sie im Comedy-Style bewerben will. Ihr Lohn: Sie darf die Produkte behalten. Andere Influencer nehmen zehn Euro pro 1000 Klicks, sie begnügt sich erst mal mit weniger – „ich bin ja erst zwei Monate dabei“. Die Geschwister, Bruder Leon (14) und Schwester Lilli (8), sind stolz auf sie, ihr Vater fand sofort „cool“, was sie macht, ihre Mutter ist mittlerweile auch überzeugt. Und ihre Oma schaut sich jedes TikTok-Video an und schickt ihr per WhatsApp umgehend einen Kommentar zu. Auch die Mitschüler haben natürlich mitbekommen, was Laura Sophie auf TikTok so alles anstellt, ihr persönliches Aha-Erlebnis hatte sie jedoch am Mittwoch in Hannover, wo sie mit ihrem Freund war. Dort wurde die Göttingerin von einem weiblichen Fan angesprochen und um ein Foto gebeten: „Du bist doch Laura Sophie von TikTok, ich feier’ dich voll!“
Ein bis zwei Stunden täglich verbringt Laura Sophie mit TikTok, manchmal auch nur eine halbe Stunde – Clips aufnehmen, auf Länge kürzen, Musik auswählen („Das entertained die Zuschauer“), Hintergrund gestalten und Text dazu, fertig. Stress macht sie sich nicht, dafür ist ihr das reale Leben zu wichtig. „Man kann es sicherlich viel besser machen“, sagt sie. „Aber es soll ja auch ein Spaß für mich sein.“

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