Göttinger Tageblatt

21.12.2011 - Eltern ehrenamtlich in Mensen?

Streit um Ehrenamt in Mensen
Stadt will Essenausgabe neu gestalten / Eltern protestieren

Göttingen (us). Es brodelt mächtig zwischen Eltern, Schulen und der Stadt Göttingen – und zwischen den Parteien im Rat der Stadt: Ab nächstem Sommer sollen mittags ehrenamtliche Helfer an den großen Schulen mit Ganztagsangebot das Essen ausgeben – vorzugsweise Eltern. Dagegen protestieren Schulen, Elternvertreter und auf politischem Feld CDU, FDP, Linke sowie die Piraten. Zwischenrufe und tumultartige Szenen bestimmten am Montag die Debatte im Rat. Am Ende setzten SPD und Grüne den Verwaltungsvorstoß mit ihrer Mehrheit durch. Dabei blieb unklar, ob die Verwaltung das Konzept jetzt durchboxen soll, oder die Vorlage Startschuss für eine gemeinsame Lösungssuche ist. Die Idee polarisiert: Als unsolide, undurchdacht, Missbrauch des Ehrenamtes, Bankrotterklärung für die Ganztagsschule und Erpressung werten Gegner den Vorschlag aus der Verwaltung. Die Befürworter hingegen sehen darin einen pfiffigen Ansatz, trotz desolater Finanzen und auf dem Weg der Solidarität noch mehr Ganztagsschulen einrichten zu können – ohne die Essenspreise zu erhöhen. Hintergrund: Die Stadt will weitere Ganztagsschulen inklusive Mittagsverpflegung einrichten. Weil sie nahezu pleite ist und eigentlich Personal reduzieren soll, will die Verwaltung im Mensabereich angestellte Kräfte für die Essensausgabe auf die zusätzlichen Schulen verteilen und in den großen Mensen ehrenamtliche Helfer hinzunehmen. Organisieren sollen das die Schulen. Das würden rund um Göttingen die meisten Kommunen so handhaben, argumentiert Schuldezernent Siegfried Lieske. Zugleich betonte er, dass in Göttingen die Verwaltung sogar alle Dienstleistungen wie die Abrechnung mit den Eltern übernehme und der Essenspreis inzwischen mit mehr als 780.000 Euro pro Jahr bezuschusst werde – bei einem Elternbeitrag von 2,80 Euro je Portion. „Wir gehen hier von einem sehr hohen Niveau aus", so Lieske. Das sehen die Eltern und Parteien grundsätzlich ein. Nicht aber, dass „ausgerechnet im Bildungsbereich und auf dem Rücken der Kinder und Eltern" gespart werden solle. Vor allem bezweifeln sie, dass das Konzept aufgeht. In der Regel würden beide Eltern arbeiten, beschreiben Elternvertreter des Felix-Klein-Gymnasiums in einem offenen Brief ihre Sicht. Nur wenige hätten Zeit, mittags in einer Mensa zu bedienen. Außerdem werde Ehrenamtlichkeit missbraucht, um bezahlten Kräften Arbeitsplätze zu nehmen. Und die Schulleiter sehen in der zusätzlichen Organisation eine Aufgabe, die nichts mit ihrem pädagogischen Auftrag zu tun habe. Und noch etwas ärgert Schulen, Eltern und besonders die CDU/FDP-Gruppe im Rat: Der jetzige Beschluss setzte das Ziel bereits konkret fest, ohne vorher mit den Betroffenen geredet zu haben. Mögliche Alternativen würden so im Vorfeld ausgebremst. „Die Vorlage zeigt bewusst Kannte", räumte Lieske ein. Sie habe eine gewollte Diskussion angestoßen. Jetzt würden die Gespräche mit den Schulen beginnen.

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