Göttinger Tageblatt

08.02.2007 - Dr. Sinemus am FKG

„Froh, dass es die autoritären Knochen nicht mehr gibt“

Schule heute: Lehrerbild wandelt sich mit gesellschaftlichen Veränderungen / Pädagogische Fähigkeiten mehr gefordert  (...)

Schüler sind nicht fauler, aber anders

Felix-Klein-Gymnasium: Volker Sinemus hat als Lehrer für Deutsch und Geschichte nicht nur Schüler kommen und gehen sehen, für 20 Jahre war er auch verantwortlich für die Referendars-Ausbildung im Fach Geschichte. 30 Jahre lang unterrichtete er am FKG. Dabei fiel ihm eines auf: Stetig blieb nur die Veränderung. „Ich weiß gar nicht mehr, wie viele Oberstufenreformen ich mitgemacht habe.“ Die letzte große Reform war die Einführung des Zentralabiturs im Jahr 2006. „Die jüngeren Lehrer tun sich damit leichter, weil sie das ja sowieso alles neu erarbeiten müssen. Allerdings muss man sagen, dass durch die vorgeschriebenen Prüfungen wesentlich weniger Freiräume bleiben, auch um auf die Interessen der Schüler einzugehen“, glaubt Sinemus.

1976 kam er als Referendar ans FKG, seitdem hat sich viel getan, nicht nur in den Prüfungsordnungen, sondern vor allem bei den Schülern. „Man kann nicht sagen, dass das Gymnasium früher elitärer war und heute egalitärer, aber es hat sich schon einiges getan, wenn man bedenkt, dass heute 50 Prozent der Schüler aufs Gymnasium gehen.“ Vor allem die Abwertung des Hauptschulabschlusses habe einiges verändert. „Heutzutage gehen viel mehr aufs Gymnasium, nicht um zu studieren, sondern um sich für den Beruf zu qualifizieren. Ein Betriebspraktikum hätte es 1976 nie gegeben“, erklärt Sinemus.
Mehr als Pädagoge gefordert
Nicht nur  als Unterrichtender sei er gefordert, sondern verstärkt auch als echter Pädagoge – der soziale Wandel, das Aufbrechen traditioneller Familienstrukturen mache sich bemerkbar. „Ich habe mal in einer Klasse herumgefragt, da lebten ein Drittel der Schüler nicht mehr in traditionellen Familien, das sind natürlich ganz andere Herausforderungen.“ Dem Deutschlehrer macht ein Trend Sorge: „Die  Schüler lesen immer weniger Bücher. Das mediale Verhalten hat sich doch sehr  verändert. Dann haben sie auch noch immer weniger Zeit. Heute gibt man im Deutsch-Leistungskurs mal zwei Kapitel der ,Buddenbrooks’ zum Lesen. Früher wurden alle 800 Seiten gelesen.“ Dabei seien die Schüler keineswegs fauler als früher, im Gegenteil, sie hätten viel mehr zu tun, allerdings oftmals anderes als Schule. „Es ist unglaublich, wie viele nebenbei bis zu zehn Stunden die Woche arbeiten. Alles um ihren Lebensstandard zu bezahlen. Oder wie viele Aktivitäten neben der Schule gemacht werden“, staunt Sinemus.

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