Göttinger Tageblatt

15.02.2003 - Cowboy-Hut statt schlechter Kleidung

Heiner Oesterlin gehört zu den besten Mathematikschülern Deutschlands

Cowboy-Hut statt schlecht sitzender Kleidung

Weende (war). Kränklich, abwesend, nachlässig in Körperpflege und Kleidung: So sieht es aus, das Mathematik-Superhirn. Aber nur in der Klischeevorstellung. Der Weender Felix-Klein-Gymnasiast Heiner Oesterlin nimmt von Donnerstag, 13. Februar, am internationalen Auswahlwettbewerb für die Mathematik-Olympiade in Tokyo teil - und entspricht nun gar nicht dem Klischee.
Ein Jugendzimmer in einem Weender Reihenhaus, erste Etage. Große Fenster geben den Blick frei auf den Garten. Am alten Kinder-Etagenbett hängt ein Cowboy-Hut - Mitbringsel von einem einjährigen Texas-Aufenthalt. Am großen Schreibtisch sitzt der 19-jährige Heiner Oesterlin - ein freundlicher, gut aussender Abiturient.
In der "lockeren" Atmosphäre an der texanischen Schule, wo er die gesamte elfte Klasse verbracht hat, wurde sein Interesse an Mathematik-Wettbewerben geweckt, erzählt er. In den USA habe zwar die Mathematik ein "niedrigeres Level", jedoch werde mehr Wert auf Geschwindigkeit gelegt. Das komme ihm jetzt zugute: "Einfach mal einen anderen Ansatz ausprobieren."

Geometrie am grausamsten

Nach seiner Rückkehr nahm Oesterlin im Jahr 2001 an der Mathematik-Olympiade teil - und sei gleich "voll durchgestartet". Zunächst gewann er den Schul- und Regionalwettbewerb, in der Bundesrunde belegte er den dritten Platz. Nach den Auswahlklausuren im vergangenen Dezember stand fest, dass Oesterlin zu den besten 16 Matheschülern der Bundesrepublik gehört und damit an der internationalen Ausscheidung teilnehmen darf. Die Aufgaben seien mit elementarer Mathematik zu lösen. "Der Witz an der Sache ist", sagt er, "herauszufinden was und wie man es entwenden muss." In Zahlentheorie komme er gut weg, Geometrie sei "am grausamsten". Gefordert seien Geduld und Langzeitkonzentration. Deswegen sei er nach den Klausuren zu nichts mehr zu gebrauchen.
Was sagt er zum Klischee vom Mathematik-Fachidioten? Bei der Bundesrunde in Hamburg habe er einige von denen kennen gelernt. "Die gibt es schon." Einer, "der schärfste", sei vier Tage in den gleichen, Schlafanzug ähnlichen Klamotten herumgelaufen. Heiner Oesterlin steht in seiner Freizeit im Tor der Fußball-A-Jugend des SV Göttingen. In Mathematik sei er ohne Lernaufwand gut. Wird er sich für Tokyo qualifizieren? Oesterlin: "Ich rechne nicht damit."

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