Prof. Felix Klein

von Arno Spangenberg

Felix Klein ist der Namensgeber unserer Schule. Er war ein Mathematiker, der einen besonderen Schwerpunkt seines Schaffens auch auf die praktische Anwendung der Mathematik und die didaktische Vermittlung des mathematischen Wissen gelegt hat.

Abstammung

Felix Klein wurde am 25. April 1849 geboren. Sein Vater, ein Westfale mit "alt-preußisch protestantischer Gesinnung", wie sein Sohn bemerkte, hatte sich vom einfachen Beamten zum Landesrentmeister emporgearbeitet. Seine Mutter, die aus Kreisen der Aachener Industrie stammte, war dagegen "heiterer Natur und von größerer Beweglichkeit als der Vater" und somit die Quelle geistigen Lebens im Hause Klein.

Ausbildung und Studium

Felix besuchte ab seinem 6. Lebensjahr 2½ Jahre lang eine private Elementarschule, bevor er im Herbst 1857 in ein achtklassiges humanistisches Gymnasium eintrat. Als 16-jähriger nahm er dann im Herbst 1865 das Studium der Mathematik und Naturwissenschaften an der Universität Bonn auf. Schon ein Jahr später wurde er Assistent bei Professor Plücker, der sich mit geometrischen Fragen beschäftigte, in die Klein sehr intensiv eingeführt wurde. Dadurch trat sein eigentliches Studienziel, nämlich die Beschäftigung mit der Physik, in den Hintergrund. Nach Plückers Tod gab Klein das nachgelassene geometrische Werk dieses Mathematikers heraus und kam dabei mit dem seinerzeit bekannten Geometer Professor Clebsch in Kontakt, der in Göttingen mit einem Kreis engagierter Schüler mathematische Forschungen betrieb. Nach seiner Promotion Ende 1868 (mit 19 Jahren!) wechselte Klein nach Göttingen, um seine Studien bei Clebsch weiter zu vertiefen. Trotz aller Vorzüge, die Klein in dem anregenden Göttinger Klima sah, wechselte er schon ein Jahr später nach Berlin, um seine mathematische Ausbildung zu verbreitern. Hier war die Mathematik durch Professor Weierstraß geprägt, der durch seine intensive Beschäftigung mit Analysis und Funktionentheorie die Akzente gesetzt hatte. Schon ein Jahr später ging Klein mit seinem Freund Sophus Lie, einem bedeutenden norwegischen Mathematiker, den er in Berlin kennen gelernt hatte, nach Paris. Hier wurde er aber schon nach 2½ Monaten durch den deutsch-französischen Krieg überrascht und mußte Paris schleunigst verlassen. Da er als Kriegsfreiwilliger nicht angenommen wurde, diente er in einem Nothelferkorps. Schwer typhuskrank kehrte er bald zu seinen Eltern zurück.

Habilitation und süddeutsche Zeit

1871 war Klein wieder soweit genesen, dass er in Göttingen habilitieren konnte. Schon im Herbst 1872 wurde er mit 22 Jahren als ordentlicher Professor der Mathematik nach Erlangen berufen. Für die Berufung verfaßte Klein sein berühmtes "Erlanger Programm", in dem er die Geometrie unter einheitlichen Kriterien ordnete, eine Schrift, die ihre Wirkung bis in die Schulmathematik hatte. In seiner Antrittsvorlesung legte er seine didaktischen Auffassungen der Lehre der Mathematik von der Schule bis zur Hochschule im Kern dar. Durch den frühzeitigen Tod Clebschs in Göttingen kam ein Großteil seiner Schüler zu Felix Klein nach Erlangen. So waren die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass sich in Erlangen unter Klein ein intensiver, mathematisch fruchtbarer Gedankenaustausch entwickelte. 1875 folgte Klein dem Ruf an die technische Hochschule München. Hier konnte er sich seinem Ideal nähern: einer technischen Ausbildung, die eng mit theoretisch-wissenschaftlichen Studien verknüpft ist. In München arbeitete Klein einen Großteil seiner Forschungsergebnisse aus. Hier knüpfte er auch Kontakte zu bekannten Technikern, wie z.B. zu Linde, die für seine späteren Göttinger Tätigkeiten von großer Bedeutung waren.

1880 wechselte Klein von München nach Leipzig, wo er neben der Organisation der Lehre in seinem Sinne seine wissenschaftlichen Arbeiten fortführte. Er trat in dieser Zeit in Korrespondenz mit dem französischen Mathematiker Henri Poincaré in Paris, der sich mit denselben mathematisch-geometrischen Problemen beschäftigte. So entstand zwischen beiden eine Art Wettbewerb beim Entwickeln der Forschungsergebnisse. Dabei hat sich Klein offenbar übernommen, da er neben seiner intensiven Forschungstätigkeit auch durch die Organisation des Lehrbetriebes an der Universität stark belastet war. Diesen Anstrengungen war Klein nicht gewachsen. Seine Gesundheit war so angeschlagen, daß er ab Herbst 1882 nicht mehr kontinuierlich arbeiten konnte. Erst Ostern 1886 hatte Klein die Nachwirkungen seiner Krankheit überwunden.

Göttinger Zeit

In Göttingen, wohin er zu dieser Zeit berufen wurde, nahm Klein seine geometrisch-algebraischen Forschungen wieder auf und beschäftigte sich daneben mit Problemen der theoretischen Physik. Sein besonderes Engagement galt jedoch dem Ausbau der mathematisch-naturwissenschaftlichen Forschung und Lehre an der Göttinger Universität. Durch enge Zusammenarbeit mit dem einflußreichen Ministerialdirektor Friedrich Althoff im preußischen Kultusministerium erhielt er die notwendige staatliche Unterstützung, mit der die Berufung berühmter Mathematiker wie David Hilbert und Hermann Minkowski gefördert werden konnte. Sein Eintreten für die angewandte Mathematik brachte einen Lehrstuhl auf diesem Gebiet, der durch Carl Runge besetzt wurde. Damit konnte der Grundstein für die Entwicklung Göttingens zu einem weltbekannten Zentrum der Mathematik gelegt werden, das leider durch die Vertreibung der bekanntesten Mathematiker durch die Nationalsozialisten in den 30er Jahren zerstört wurde. Die enge Beziehung, die Felix Klein zu den technischen Disziplinen an der Technischen Universität München gewonnen hatte und die Erfahrungen, die er auf mehreren Reisen in die USA und nach Frankreich machen konnte, bewogen ihn, gegen viele Widerstände auch in Göttingen ein physikalisches Labor einzurichten, in dem die Studenten an Maschinen experimentieren konnten. Den finanziellen Grundstock schaffte er durch die Gründung der "Göttinger Gesellschaft für angewandte Mathematik und Physik", für die er Techniker wie seinen ehemaligen Münchner Kollegen Linde und Industrielle wie den kaufmännischen Direktor der Elberfelder Farbwerke Dr. Henry Böttinger gewinnen konnte, die in kurzer Zeit 20 000 Reichsmark aus der Industrie zusammenbrachten. Für die Entwicklung der Stadt Göttingen ist die Gründung der Göttinger Forschungsstätten für Aerodynamik sehr bedeutungsvoll, waren sie doch die direkten Vorgänger des Max-Planck-Instituts für Strömungsforschung und des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt, die noch heute in der Nachbarschaft unserer Schule arbeiten. Diese Institute bildeten auch die Grundlage für die Berufung von Professor Ludwig Prandtl, einen international anerkannten Erforscher der wissenschaftlichen Grundlagen der Luftfahrt. Weitere anwendungsbezogene Professuren wie der Lehrstuhl für Versicherungsmathematik, auf den der bekannte Nationalökonom Lexis berufen werden konnte, kamen zu Beginn dieses Jahrhunderts hinzu.

Didaktisches Wirken

Daneben widmete sich Klein in seiner Göttinger Zeit intensiv den Fragen der Didaktik der Mathematik. Hier war es nicht nur die Lehre an der Hochschule, der er sich intensiv zuwandte, indem er mit seinen Kollegen jedes Semester einen ausgewogenen Vorlesungsplan erarbeitete, sondern ihn interessierte auch die Vermittlung der Mathematik von der Grundschule an. Er kämpfte intensiv um die Anerkennung der mathematisch-naturwissenschaftlichen Bildung als eine wesentliche Säule der Allgemeinbildung. Dabei bediente er sich verschiedener Vereinigungen, die dasselbe Ziel hatten. So bewirkte er etwa bei der "Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte", dass eine Unterrichtskommission gebildet wurde. Diese Kommission arbeitete 1905 die berühmten "Meraner Beschlüsse" aus, in denen eine Neuorganisation des mathematischen Unterrichts für das Gymnasium erarbeitet wurde und die für die Lehrpläne des Mathematikunterrichts an den höheren Schulen wichtige Konsequenzen hatten. Klein war Vorsitzender der Internationalen Mathematischen Unterrichtskommission (IMUK), die eine internationale Bestandsaufnahme des Mathematikunterrichts vornehmen wollte, mit dem Ziel den Unterricht zu verbessern. In dieser Kommission arbeitete Klein eng mit Dr. Walther Lietzmann zusammen, der von 1919 bis 1946 Direktor unserer Schule war und in dieser Zeit zum anerkannten Didaktiker des mathematischen Unterrichts avancierte. Neben der Erarbeitung von Unterrichtskonzeptionen bemühte sich Klein um die schulische Verwirklichung. Dazu dienten die "Ferienkurse", in denen Klein den Lehrern seit 1892 jährlich eine intensive Fortbildung anbot.

Alter und Tod

1911 emeritierte Klein, weil seine Gesundheit wieder sehr angeschlagen war. Trotzdem hielt er viele seiner Aktivitäten aufrecht. Bis kurz vor seinem Tode am 22. Juni 1925 hat er in seinem Hause, Wilhelm-Weber-Str. 3, viele Kontakte gepflegt und seine Bemühungen zur Organisation des mathematischen Unterrichts und der Lehre fortgesetzt.

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