Jeden Tag etwas Neues aus Finnland

Comenius-Gruppe bricht auf in Richtung Polarkreis
Partnertreffen in Rovaniemi, der offziellen Heimatstadt des Weihnachtsmannes

Göttingen liegt noch in tiefer Dunkelheit. Doch Lea, Charis und Marek sind längst hellwach und warten am Göttinger Bahnhof. Um 7.02 soll sie der ICE nach Frankfurt bringen. Von dort startet der Flug nach Norden, sie über Helsinki nach Lappland zum Polarkreis. Entsprechend üppig ist das Gepäck. Verschmitzt lächelnd zeigt die siebzehnjährige Lea auf die dicke Wollmütze auf dem Kopf, unter der nur wenige Strähnen ihres rotbraunen Haares frech hervorlugen. Die gleichaltrige Charis ächzt unter der Last ihres Koffers. „Ich habe mir eine dicke Schneehose geliehen", die nimmt fast den meisten Platz ein, „und die Winterschuhe sind verflixt schwer". Der in eine dicke Winterjacke gehüllte Marek zuckt gelassen mit den Achseln und rät: „Die dicken Klamotten musst du anziehen, dann brauchst du nicht so schwer zu schleppen". Jedenfalls sind die drei für die arktischen Temperaturen gerüstet. Die jüngste Wetterbotschaft lautete: Geschlossene Schneedecke bei -15°.
Doch nicht die Erkundung des Klimas und der Geographie des arktischen Lebensraumes in Europa ist das Ziel der Exkursion. Natürlich sind sie gespannt auf die lange Dunkelheit in Rovaniemi, wo das Tageslicht derzeit gerade mal drei Stunden währt. Und sie hoffen auch das berühmte Nordlicht sehen zu können. Aber in ertser Linie wollen die drei FKG-Schüler in Begleitung  ihrer Lehrer Lars Grabowski und Michael Bahlke die Kultur und Lebensgewohnheiten der Lappen erforschen und dokumentieren. Gemeinsam werden sie dies mit ihren Partnern aus den Niederlanden und den finnischen Gastgebern tun. Die Erkundung wird bereits in den Familien der Partnerschüler/innen ihren Anfang nehmen, bei denen sie in den nächsten Tagen wohnen werden. Marek hat bereits Emails mit mit seiner Gastgeberin Nea gewechselt. Sie besucht die Abschlussklasse der Vocational School in Rovaniemi und hat ihm geschrieben, dass alle Mitschüler/innen bereits neugierig auf den Besuch aus dem Süden warten.
Doch bis Rovaniemi dauert es noch Weilchen. Bis dahin vertreiben sich Charis, Lea und Marek die Zeit mit einem Buch über die Kultur der Finnen, manchmal laut losprustend, wenn eine Eigenart besonders schräg beschrieben wird, z.B. die sprichwörtliche Schroffheit finnischer Männer, die in dem Büchlein als „taciturn, and consequently, unromantic" gekennzeichnet werden. Aber das Buch räumt mit solchen Stereotypen auch gleich wieder auf, "because it is possible to find a Finnish man who is cheerful and communicative and who gives presents. His name is Santa Claus."
Am frühen Nachmittag Zwischenstopp in Helsinki. Flughäfen gleichen sich fast überall in Europa. In der Landschaft ringsherum überwiegen die Grüngrautöne. Ungemütliches Nieselwetter im Dämmerlicht, von Schnee kaum eine Spur.
Am Gate zum Flug nach Rovaniemi herrscht dagegen bunte Jahrmarktstimmung. Fast dreißig französische Grundschulkinder werden von ihren Begleitern mit clownesker Akobatik bei Laune gehalten. Und unter den Wartenden geben sich Comenius-Gruppen geradezu ein Stelldichein. Eine Handvoll Schülerinnen von der deutschen Schule in Athen begrüßt mit großem Hallo die eintreffenden Partnerschüler aus Kärnten. Gemeinsam wollen sie noch in eine Kleinstadt 120 Kilometer nördlich von Rovaniemi. Auch unsere niederländischen Partner aus Bladel gehen mit an Bord.
Über Rovaniemi ist bei der Ankunft schon längst der Abend hereingebrochen. Aber die Landschaft leuchtet in märchenhaftem Weiß, das im Glanz der Straßenlaternen und riesigen Leuchtreklamen zitterflimmert. So hatte man sich den Winter in Lappland vorgestellt. In der Ankunfthalle kommt es zur ersten Begegnung mit den Gastgebern der nächsten Tage. Zaghaftes Lächeln auf beiden Seiten überspielt die erste Unsicherheit bei der Begrüßung. Zum Abschiednehmen von den vertrauten Mitreisenden bleibt kaum Zeit. Noch eine kurze feste Umarmung und schon sitzen die drei FKG-Schüler/innen in den Autos ihrer Gastgeber und entschwinden in die lappische Nacht. Bis morgen!

Mittwoch, 14.12.2011

Um 10h treffen sich die Beteiligten ausgeschlafen in der Schule. Im Hörsaal ist die Begrüßung angesagt und dann geht es gleich zur Sache. Das Arbeitspensum der nächsten Tage wird besprochen. Gutes Gelingen!

Junge Männer und Frauen stehen in blauen Overalls zusammen um ein kleines Sportflugzeug und hören interessiert den Erklärungen eines in helles Gelb gekleideten Lehrers zu. Ort des Geschehens ist die Flugzeugwerkstatt der Vocational School, welche die Göttinger Delegation auf dem Weg drurch die Schule zu Gesicht bekommt. Hier macht alles einen ganz modernen Eindruck, so ganz anders als das vertraute Gemäuer des heimischen FKG. Aber es fehlt auch eine gewachsene Atmosphäre, wie sie in der Böttinger Straße herrscht. Der ausgiebige Rundgang wird veranstaltet von den einheimischen Partnerschüler/innen, die alle Fragen geduldig beantworten. Das Hauptgebäude ist nur eine unter insgesamt acht Niederlassungen der Schule, die jährlich 5000 Schüler ausbildet, auf den unterschiedlichsten Gebieten von A wie Aerotechnik bis zu W wie Werkstoffkunde.
Das gemeinsame Mittagessen in der Schulmensa lässt Raum für Nachfragen. Aber schnell richtet sich die Aufmerksamkeit auf das Essen. Was kommt auf den Teller? Natürlich Fisch - mit Gemüse und Kartoffeln und Brot. Typisch finnisch. In dieser kalten Jahreszeit essen die Finnen mindestens zweimal am Tag warm, manche Finnen sogar viermal. Marek, Charis und Lea hatten am Vorabend Mühe, die angebotenen Gericht nur halbwegs zu vertilgen. „Und hinterher gab's auch noch Kaffee und Kuchen!"

Nach dem „Lunch" versammeln sich die neugierigen Mitglieder der Schulgemeinschaft im großen Hörsaal. Die Jugendlichen von Comenius präsentieren sich, ihre Heimat und die Besonderheiten der jeweiligen Weihnachtskultur. Die Niederländer sind erstaunt, dass auch in Deutschland der Nikolaus die Kinderschuhe füllt. Und die Bilder mittelalterlicher Straßenszenerien aus dem vorweihnachtlichen Göttingen finden großen Anklang bei den Schülern aus Rovaniemi. In deren Darbietungen wiederum dreht sich alles um Santa Claus. Der Besuch des Santa-Claus-Village steht erst am Donnerstag auf dem Programm.

Heute Abend wird erste einmal in der Elfenschule nach nach finnischen Rezepten gebacken: Ingwerkuchenhäuschen. Wir lassen uns überraschen.

Donnerstag, 15.11.2011

Tiefschwarz zeigt sich der Schulhof der Lapin Ammattiopisto beim Blick aus dem Fenster. Aber es ist nicht etwa Mitternacht, sondern es geht auf 10 Uhr zu. Gewöhnungsbedürftig! Der internationalen Schülergruppe bereiten die Lichtverhältnisse kein Kopfzerbrechen. Die anzufertigende Weihachtsdekoration schon eher. Manche Schere wandert ziemlich ungelenk die Linien entlang, Zickzackmuster werden zu kaum überwindbaren Hürden. „Backen war viel einfacher!"
Daher freuen sich die Schueler/innen, als es wieder kopflastiger wird. Im Arktikum, einem international renommierten Research-Center, lässt sich u.a. die Kultur der Sami, der Ureinwohner Lapplands studieren.
Der Höhepunkt des Tages kommt gegen Abend: Der Weihnachtsmann bittet zur Audienz. Wie von dem bärtigen gutmütig dreinschauenden Mann nicht anders zu erwarten, erweist er sich als polyglotter Zeitgenosse. Er begrüsst die Niederländer auf Niederländisch und die Göttinger mit einem sonoren „Guten Abend, woher kommen Sie, Frankfurt, München, Kassel?" Auch Göttingen ist ihm geläufig." Da schlagen sogar die Herzen der Oberstufenschüler höher. Und alle wollen ein Foto mit dem Weihnachtsmann als Souvenir mitnehmen.
Der Besuch im offiziellen Santa-Claus-Postoffice rührt das Herz nicht minder. Täglich erreichen Hunderte Kinderbriefe aus aller Welt die Poststelle. Krakelig sind die Beschriftungen, vielfältig die Wuensche, reichen von Gesundheit fuer die Oma bis zur nagelneuen Playstation. Gegen eine Spende für Unicef darf man ein kleines Bündel Briefe mitnehmen.

Freitag 16.11.2011

„Don't forget the helmets!". Der mit einem grellgelben Schal verhüllte Markus Pylväs erinnert die Schüler an die Sicherheitsvorschriften, ehe die Gruppe losstapft, den tiefverschneiten Waldweg einschlagend. Die Helme werden benötigt auf dem Schneebob, mit dem es weitergeht zur Rentierfütterung. Der Motor zerröhrt die Waldesstille, Schnee spritzt hoch auf. Kein Wunder, dass die Rentiere sich bei unserer Ankunft verschreckt zeigen. Es dauert ein Weilchen, bis sie das Futter annehmen, aus der Hand mögen sie nicht fressen, so sehr Marek sich in seinem signalfarbenenen Overall auch bemüht. Geduldig kauernd hält er den Tieren getrocknetes Moos entgegen. Sie fressen erst, als er das Moos auf den Boden wirft und sich entfernt. Deshalb entfernen wir uns alle zur nächsten eindrucksvollen Station, bei der es finnische Mannesstärke zu bewundern gilt.
Der igelköpfige Kimmo, ein Bär von einem Mann, demonstriert strahlend, wohin der 20m hohe Baum fallen wird, dem er gleich zu Leibe rücken wird. Binnen weniger Minuten macht er seine Ankündigung war. Der Baum liegt an der vorhergesagten Stelle. Kimmo rasiert in Windeseile die Zweige ab und zerteilt den Stamm in Stücke von zwei Meter Länge. Stück für Stück hebt er die Teile mit zwei Haken auf und wirft sie gleichsam achtlos zur Seite. Die deutschen Kollegen, von ihm mit schelmischem Grinsen aufgefordert, eines der Holzstücke zu zweit anzuheben, bekommen es nur unter mühsamen Ächzen ein paar Zentimeter in die Höhe. What a man!
Schwer beeindruckt, versuchen die Schüler, es ihm nachzutun und ihrereseits Christbäume für die Schule zu fällen. Die werden am Nachmittag geschmückt, ehe es in das Computerlab geht. Hier werden für zu Hause Präsentationen der gemeinsamen Zeit erstellt, die heute zu Ende geht.

Hei.Hei! – heisst auf Finnisch Tschüss!

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